Ernährungsbildung für Nachhaltige Entwicklung

Stand: 07/07/2017
Der Beginn: Konferenz von Rio

1992 haben in Rio de Janeiro 172 Staaten der Welt die „Agenda 21“, das entwicklungs- und umweltpolitische Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, beschlossen. Laut Kapitel 36 der Agenda ist Bildung ein Schlüsselfaktor auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit, denn ohne einen umfassenden Bewusstseinswandel auf allen Ebenen wird es keine nachhaltige Entwicklung geben. 2005 - 2014 hat die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE) auch in Deutschland maßgeblich dazu beigetragen, die Prinzipien nachhaltiger Entwicklung in den Bildungssystemen zu verankern. Alle Bildungsbereiche sind erfasst: Kindergarten, Schule, Hochschule, berufliche Aus- und Weiterbildung, außerschulische Bildung und Weiterbildung und sogar das informelle Lernen, denn einen großen Teil unseres Wissens eignen wir uns informell an - beim Spielen, in der Freizeit, am Arbeitsplatz.


Nachhaltige Entwicklungsziele

2015 haben die Vereinten Nationen (UN) die Ziele nachhaltiger Entwicklung (die so genannten Sustainable Development Goals, kurz SDGs) verabschiedet. Sie werden auch „Agenda 2030“ genannt. Es sind ehrgeizige Ziele, die erstmals alle Staaten als Adressaten in die Pflicht nehmen. Sie gelten als Meilenstein für eine gesicherte nachhaltige Entwicklung.

Auch in den SDG‘s wird die Rolle von Bildung als essentiell angesehen. Im Unterziel 4.7 heißt es: „Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung.
Gute Bildung geht also über reines Faktenwissen hinaus. Sie vermittelt Fähigkeiten und Werte, fördert Wertschätzung und Toleranz und ermöglicht vorausschauendes Denken.


Vom Projekt zur Struktur

Deshalb hat die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, von 2015 bis 2019 das Weltaktionsprogramm (WAP) Bildung für nachhaltige Entwicklung ausgerufen. Es baut auf den Erfolgen der Dekade auf und soll diese weiter entwickeln. Die Leitidee des Programms ist, Bildung für nachhaltige Entwicklung „vom Projekt zur Struktur“ zu bringen, d.h. die Nachhaltigkeitsprinzipien sollen in sämtlichen Bildungs- und Ausbildungskontexten verankert werden. Dazu sind insbesondere die Kompetenzen von pädagogischen Fachkräften und Multiplikatoren im Bereich BNE zu stärken.

Die einzelnen Nationen setzen das Weltaktionsprogramm in einem so genannten „Nationalen Aktionsplan“ um. In Deutschland wurde dieser Plan am 20. Juni 2017 verabschiedet. 130 Ziele und 349 konkrete Handlungsempfehlungen sollen dazu führen, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung strukturell in der deutschen Bildungslandschaft verankert wird. Das betrifft die Ausrichtung der Lehrpläne, Curricula und Ausbildungsordnungen ebenso wie die Aus-, Fort- und Weiterbildungen der pädagogischen Fachkräfte in der formalen, non-formalen sowie informellen Bildung. Weitere zentrale Aspekte sind eine stärkere Vernetzung der BNE-Akteure sowie die Erfassung und Verbreitung von guten Praxisbeispielen.


Was hat das mit der Ernährung zu tun?

Unsere Ernährung ist untrennbar verbunden mit den wichtigsten und drängendsten Handlungsfeldern der Zukunft: Landwirtschaft, Konsum und Lebensstil, Klimawandel, Welternährung und globale Gerechtigkeit sowie Energieverbrauch und -erzeugung. Die Weichenstellungen in diesen Bereichen werden darüber entscheiden, ob und wie erfolgreich die Weltgesellschaft das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung verfolgt.

Die Ernährung jedes einzelnen hat nicht nur Konsequenzen für ihn selbst, sondern auch für andere. Ernährungsbildung hat das Ziel, dass Menschen die Auswirkungen des persönlichen Ernährungsverhaltens einschätzen und einen nachhaltigen Lebensstil entwickeln können. Sie sind in der Lage, ihre Ernährung gesundheitsförderlich zu gestalten und Verantwortung in Nachhaltigkeitsprozessen zu übernehmen. Somit decken sich die Grundsätze für eine nachhaltige Ernährung mit den Nachhaltigkeitsentwicklungszielen der UN und dem UNESCO-Weltaktionsprogramm.

Eine an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtete Ernährung fördert weltweit:
  • hohe Lebensqualität, besonders Gesundheit
  • Schonung der Umwelt
  • faire Wirtschaftsbeziehungen
  • soziale Gerechtigkeit

Leider bewerten Experten der nachhaltigen Ernährung wie Dr. Karl von Koerber das Ernährungsverhalten vieler Menschen heute noch als wenig nachhaltig. Der Konsum von Fleisch und anderen tierischen Lebensmitteln ist hoch und es werden reichlich stark verarbeitete Produkte verzehrt. Frische Produkte aus der Region zu bevorzugen, Fleisch eher selten und von hoher Qualität auf den Tisch zu bringen und Lebensmittelverschwendung zu vermeiden sind zukunftsfähige Lösungsansätze. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir in Zukunft mit weniger Freude oder Genuss essen. Ganz im Gegenteil könnte der Wert unserer Lebensmittel wieder stärker in den Fokus rücken.


BNE und Ernährungsbildung in Rheinland-Pfalz

Für die Landeregierung ist laut Koalitionsvertrag 2016-21 Nachhaltigkeit eine Richtschnur rheinland-pfälzischer Politik. Mit der „Zukunftskonzeption Bildung für Nachhaltige Entwicklung Rheinland-Pfalz 2015+“ stellt sich das Bundesland für die nächsten Jahre neu auf. Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist keine Zusatzaufgabe, sondern integraler Bestandteil des Wandels. BNE durchzieht als Querschnittsaufgabe alle Gesellschaftsbereiche. Fördermittel sollen dementsprechend an erster Stelle längerfristig für themen- und bereichsübergreifende Gesamtkonzepte eingesetzt und Vergabekriterien neu gestaltet werden, um Verstetigung und Transfer erfolgreicher Projekte zu ermöglichen.

Dazu gehören auch Initiativen für eine nachhaltige Ernährungsweise. Institutionalisierte Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen bieten optimale Voraussetzungen, Bildung für nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Sie können „Lernorte der Nachhaltigkeit“ sein.

Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, das Erzieherinnen und Erzieher zu Fachberaterinnen und Fachberatern qualifiziert hat, um BNE in Kindertagesstätten mit Leben zu füllen. Für pädagogische Fachkräfte und Hauswirtschaftskräfte gibt es u.a. von den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum, der Landeszentrale für Umweltaufklärung oder den Volkshochschulen Fortbildungen mit Anregungen, die Prinzipien der BNE umzusetzen.

Im Bildungsbereich der Schulen gibt es das BNE-Netzwerk Rheinland-Pfalz. Beteiligt sind u.a. das Bildungsministerium, spezielle Fachberater, Schulen und außerschulische Lernorte. Sie setzen sich dafür ein, BNE in der Lehreraus- und -fortbildung sowie im Unterricht zu verankern. Im Bereich der Ganztagsschulen können diese Themen einen besonderen Stellenwert haben, z.B. in Form von Projekten, Schülerfirmen und Arbeitsgemeinschaften.

Auch eine gute Kita- bzw. Schulverpflegung ist Chance zur Umsetzung einer nachhaltigen Ernährungsweise. Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zeigen auf, wie sich Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsverpflegung umsetzen lässt. Beispielsweise wird empfohlen, saisonale und regionale Lebensmittel mit kurzen Transportwegen zu bevorzugen, Produkte aus ökologischer Landwirtschaft einzusetzen, auf Mehrportionengebinde zu achten und Mehrweggeschirr zu verwenden. Eine pflanzenbetonte Mischkost, eine gezielte Lebensmittelauswahl sowie die Vermeidung von Essensresten sind weitere Ansätze einer guten, auf Nachhaltigkeit bedachten Kita- und Schulverpflegung.

Im Bildungsbereich der außerschulischen Weiterbildung trägt - neben anderen Weiterbildungsträgern wie z.B. den Volkshochschulen - auch die Ernährungsberatung der Dienstleistungszentren Ländlicher Raum zur Nachhaltigkeitsbildung bei. Die Beraterinnen informieren Verbraucherinnen und Verbraucher über die Auswirkungen des eigenen Ernährungsverhaltens und geben Anregungen für den sachgerechten Umgang mit Lebensmitteln. Dies geschieht auch mit dem Ziel, das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Die Fachkräfte motivieren zu einem Ernährungsstil, bei dem Genuss und Verantwortung miteinander verbunden werden.


Quellen und weiterführende Informationen


ernaehrungsberatung@dlr.rlp.de     www.fze.rlp.de/ernaehrungsberatung